Dritte und der digitale Nachlass

Smartphones, Laptops, Tablets, E-Mail, Onlinebanking. Zunehmend findet die Digitalisierung Einfluss auf das Leben des Einzelnen und den Geschäftsablauf in KMUs. In diesem Kontext stellen sich die Fragen, wie im Erbfall mit den Daten umzugehen ist, wie ein beteiligter Dritter zu verfahren hat und welche Vorbereitungen der Unternehmer treffen kann, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen, der zudem auch seinen Interessen entspricht.

Im Grundsatz steht die Gesamtheit von Rechtsverhältnissen einschließlich der elektronischen Datenbestände den Erben zu (sog. „digitaler Nachlass“) und zwar ungeachtet etwaiger anders lautender Nutzungsbedingungen der Provider (BGH, v. 12.07.2018 – III 183/17). Hierdurch werden Unternehmer, Erben, Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigte aber vor Herausforderungen gestellt. Im Fall des Erblassens sind die vorgenannten Dritten nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet alle Datenträger (wie z.B. PCs, Smartphones und sonstige Speichermedien) in Besitz zu nehmen, die digitalen Inhalte zu sichern und zu sichten. Hierzu gehört insbesondere auch die Prüfung nach Nachlassverbindlichkeiten und Vermögenswerten, denn beide Posten müssen bei der Erbschaftssteuererklärung zum Ansatz gebracht werden. Aber auch die Nichterfüllung der Verpflichtungen birgt erhebliche Haftungsrisiken gegenüber den Gläubigern aber auch gegenüber den (Mit-)Erben und Pflichtteilsberechtigten. Viele der hieraus resultierenden Fragen hat der Bundesgerichtshof in dem eingangs genannten Urteil vom 12.07.2019 geklärt:

  • Das Recht an den gespeicherten Dateien folgt dem Recht an dem Speichermedium. Das heißt, wer Eigentümer der Festplatte, eines Laptops, eines Smartphones oder eines sonstigen lokalen Speichermediums bzw. Inhaber eines Accounts ist, darf auch über die darauf gespeicherten Daten verfügen, dh. sich Zugang zu ihnen verschaffen, sie einsehen, sie verändern, über ihre Herausgabe an Dritte oder über ihre Löschung entscheiden. Notfalls darf er sich hierzu professioneller Hilfe eines „Hackers“ bedienen.
  • Datenschutzrechte des Erblassers oder seiner Kommunikationspartner stehen der Herausgabe der Daten an die Erben ebenso wenig entgegen wie das Fernmeldegeheimnis oder das Briefgeheimnis.
  • Etwaige Rechte Dritter werden durch die Vererblichkeit nicht berührt. Glaubt ein Dritter, hinsichtlich der Inhalte dieser Daten (z. B. Fotos) Herausgabe-, Löschungs-, oder sonstige Ansprüche herleiten zu können, muss er diese zu Lebzeiten des Erblassers gegenüber diesem und nach dem Erbfall gegenüber dem Nachlass geltend machen.
  • Angehörige des verstorbenen Nutzers, die nicht Erben geworden sind, haben nach derzeit herrschender Meinung grundsätzlich keinen Anspruch auf die Daten oder auf Zugang zu ihnen. Nichts anderes gilt auch für höchstpersönliche digitale Inhalte. Allerdings können den Angehörigen ausnahmsweise Abwehransprüche gegen die Erben oder Provider zustehen. Dies ist der Fall, wenn diese bestimmte Informationen nicht löschen (lassen), obwohl der Erblasser dies angeordnet hat oder die Nutzung gegen den mutmaßlichen Willen des Erblassers verletzt.

Daneben sind indes viele Fragen zum Umgang mit dem digitalen Nachlass noch nicht abschließend geklärt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich für jeden Unternehmer, die Rechte und Pflichten von Bevollmächtigten, Betreuern, Erben und Testamentsvollstreckern beizeiten möglichst umfassend und präzise zu regeln und zugleich weitere Vorkehrungen zu treffen, die den Berechtigten die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen bzw. erleichtern:

  • Durchaus hilfreich ist es, eine Liste aller elektronischen Accounts nebst Zugangsdaten in einem „Notfallkoffer“ bereitzuhalten.
  • Vollmachten sollten gut formuliert werden und den Bevollmächtigten dazu ermächtigen, über sämtliche Accounts zu verfügen, die entsprechenden Zugangsdaten anzufordern und zu ändern und die Verwendung der Accounts und der gespeicherten Daten zu bestimmen.
  • Um den Geschäftsablauf nach dem Eintritt der Handlungs- und/oder Geschäftsunfähigkeit und die Abwicklung seines Nachlasses möglichst reibungslos übernehmen zu könnten, sollten sämtliche digitalen Inhalte gut strukturiert abgelegt sein (ähnlich einem physischen Ordnersystem). Um zu vermeiden, dass Dritte im Todesfall auf Ihre intimsten Geheimnisse stoßen, sollten Sie auf eine gewisse Datenhygiene achten und sensible Daten regelmäßig löschen.
  • Teilweise kann man als Nutzer beim Provider einen sog. Kontoinaktivitäts-Manager hinterlegen (z.B. bei Google). Ob eine solche Auswahl genügt, um den Erben vom Zugriff auszuschließen, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Um den/die Erben sicher vom Zugriff auf die digitalen Inhalte ausgeschlossen werden sollen, sollte insoweit eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden.