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Übertragende Sanierung – so funktioniert sie

Ist ein Unternehmen illiquide, klopfen die Gläubiger meist schnell an die Tür und fordern mit Nachdruck ihr Geld ein. Langwierige Geschäftsbeziehungen werden auf die Probe gestellt und auch eine möglicherweise erst für in einigen Jahren avisierte Unternehmensnachfolge leidet unter dem Vertrauensverlust. In solchen Situationen denkt ein übergabewilliger Unternehmer regelmäßig daran, weitere private Mittel zur Rettung des Unternehmens nachzuschießen und das Unternehmen so für die geplante Nachfolge zu stabilisieren. Oft kommen so schnell erhebliche Mittel zusammen, die im Insolvenzfall kompensationslos verloren wären.

Wenn das zu übergebende Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann sich im Einzelfall aber auch anbieten, keine zusätzlichen Mittel mehr zur Rettung nachzuschießen. Unter Umständen ist es sinnvoller, diese Mittel für einen Erwerb des Betriebes aus der Insolvenz durch den Nachfolger aufzuwenden und dadurch die „Altlasten“ zu beseitigen. Denn durch eine ehrliche Kommunikation mit den Beteiligten, eine stringente Planung und eine übertragende Sanierung kann ein „Neustart“ des Nachfolgers oftmals besser glücken als auf verbranntem Boden.

Wie eine übertragende Sanierung abläuft und welche Vor- und Nachteile sie bietet, soll der nahfolgende Beitrag skizzieren.

  1. Was ist eine übertragende Sanierung?
  2. Wie läuft eine solche Sanierung ab?
  3. Wer darf eine übertragende Sanierung durchführen?
  4. Was passiert mit den Arbeitnehmern?
  5. Welche Vor- und Nachteile hat eine übertragende Sanierung?
  6. Fazit

 

  1. Was ist eine übertragende Sanierung?

Kurz: Bei einer übertragenden Sanierung werden die Vermögensgegenstände eines Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ganz oder in Teilen verkauft. Eine übertragende Sanierung dient somit in erster Linie der Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren. Für den Erwerber des Betriebs hat sie jedoch den Vorteil, dass er das Unternehmen mit einem neuen Rechtsträger ohne die alten Verbindlichkeiten fortführen kann. Das Unternehmen erhält somit eine zweite Chance.

Im Einzelnen:

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das zuständige Gericht meist einen Insolvenzverwalter. Dieser ermittelt, wie es um das Vermögen des Unternehmens („Insolvenzmasse“) bestellt ist und versucht, die Gläubiger des zahlungsunfähigen Unternehmens zu befriedigen (§ 1 InsO). Hierzu stehen ihm verschiedene Mittel zur Verfügung. Gelegentlich versucht der Insolvenzverwalter, das insolvente Unternehmen zu sanieren und neu zu organisieren, um wieder eine gewinnbringende wirtschaftliche Tätigkeit zu ermöglichen. Möglich ist jedoch auch, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchzuführen. Die Geschäftsführung des zahlungsunfähigen Unternehmens bleibt insoweit am Ruder, ist jedoch nunmehr in erster Linie den Interessen der Gläubiger verpflichtet. In diesen Fällen sind Sanierungsbemühungen deutlich häufiger.

Unter Umständen ist die bloße Reorganisation des Unternehmens (sog. operative Restrukturierung) aber nicht vielversprechend oder sogar aussichtslos. So etwa, wenn die Krise eines eigentlich gesunden Unternehmens durch ein exogenes Event verursacht wurde und die Finanzierung auf den Kopf stellt, wodurch die Eigenkapitalquote sinkt und Finanzierungskosten steigen. Dann kann eine sog. finanzielle Restrukturierung die Finanzierung neu ordnen und das Unternehmen selbst wieder wettbewerbsfähig machen.

Die finanzielle Restrukturierung besteht aus Gesprächen mit den Finanzierungsparteien, in denen diesen die Lage des Unternehmens vermittelt und ein Lösungsvorschlag unterbreitet wird. Oftmals kommt es hierbei zu einem sog. „Haircut“. Hierunter versteht man einen Abschlag auf den Wert einer Forderung, ausgedrückt in Prozent. Schuldet das Unternehmen der A-Bank AG z.B. 1 MEUR, erhält jedoch einen Haircut von 20 %, wird es fortan behandelt, als belaufe sich die Forderung auf lediglich 0,8 MEUR. Außerhalb eines StaRUG- oder Insolvenzverfahrens bedarf es hierzu aber stets einer Zustimmung sämtlicher betroffenen Gläubiger.

Ein besonders schlagkräftiges Mittel ist dann die „übertragende Sanierung“. Hinter ihr steckt folgender Gedanke: Auch wenn das Unternehmen ohne weitere Kapitalzuführung materiell insolvent ist, können einzelne Unternehmensteile, Vermögensgegenstände oder das Geschäftsmodell einen erheblichen Wert haben. Durch den Verkauf des Betriebes im Ganzen kann dann mehr Geld als bei der bloßen Zerschlagung erzielt werden und die Gläubiger des Unternehmens erhalten eine höhere Befriedigungsquote als bei der gewöhnlichen Liquidation.

  1. Wie läuft eine solche Sanierung ab?

Die übertragende Sanierung ist grundsätzlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich. Technisch wird hierzu der Betrieb oder Betriebsteil von seinem ursprünglichen Rechtsträger (z.B. der GmbH) abgespalten und auf einen neuen Rechtsträger (z.B. GmbH) übertragen und fortgeführt, während die Verbindlichkeiten auf dem insolventen (alten) Rechtsträger verbleiben. Im Gegenzug zahlt der Erwerber einen Kaufpreis, der i.a.R. den Liquidationswert des Unternehmens übersteigt aber den tatsächlichen Wert des Unternehmens vor der Insolvenz nicht erreichen wird.

Der Unternehmenskauf kann hierbei grundsätzlich durch einen „Asset Deal“ oder „Share Deal“ erfolgen, wobei der Share-Deal nur in wenigen Fällen Sinn macht:

  • Bei einem Asset Deal werden die einzelnen Gegenstände des Unternehmens bzw. eines Unternehmensteils verkauft und auf den Käufer übertragen. So geht beispielsweise jedes Grundstück und jede Maschine einzeln in das Eigentum des Käufers über. Die Veräußerung von Sachvermögen in Form des Asset-Deals wird außerdem meist durch die Veräußerung immateriellen Vermögens (z.B. Kundenlisten und Marken) begleitet. Die Schulden und Verträge des Unternehmens verbleiben hingegen beim insolventen Verkäufer. Ein Asset-Deal ist bei einer übertragenden Sanierung der Normalfall.
  • Der Share-Deal kommt hingegen durch den Erwerb der Geschäftsanteile des insolventen Unternehmens zu Stande. Auf diesem Weg wird jedoch nicht nur das Vermögen des Unternehmens, sondern auch dessen Schulden erworben. Der Share-Deal ist bei einer übertragenden Sanierung daher nur selten Mittel der Wahl.

Der erzielte Kaufpreis geht an den Insolvenzverwalter, bzw. die von ihm verwaltete Insolvenzmasse. Dieser ist dabei gehalten, den bestmöglichen Erlös zu erzielen, um damit die Gläubiger des Unternehmens so gut er eben kann zu befriedigen. Insoweit muss eines klar sein: Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und auch eine übertragene Sanierung sind kein Freibrief, mit dem ein Unternehmer sich umsonst seiner Verbindlichkeiten entledigen kann. Erforderlich ist stets frisches Kapital („fresh money“), denn anderenfalls ist das Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

  1. Wer darf eine übertragende Sanierung durchführen?

Die übertragende Sanierung erfolgt durch den Insolvenzverwalter oder bei Eigenverwaltung durch die Geschäftsführung des Unternehmens.

Aber Achtung: Eine übertragende Sanierung ist nur möglich, wenn die Gläubiger des Unternehmens dem Verkauf zustimmen (§ 160 InsO). Denn bei einem unwirtschaftlichen Unternehmensverkauf tragen gerade diese letztendlich die Verluste und müssen weiter auf ihr Geld warten. Die Zustimmung erfolgt durch den „Gläubigerausschuss“ oder die „Gläubigerversammlung“. Die Gläubigerversammlung ist aber mangels Teilnahme der Gläubiger oft nicht beschlussfähig (§ 76 InsO). Dann gilt die Zustimmung auch ohne Erklärung der Gläubiger als erteilt (§ 160 Abs. 1 S. 3 InsO). Nur in wenigen Fällen müssen die Gläubiger ausdrücklich zustimmen (vgl. §§ 162, 163 InsO).

  1. Was passiert mit den Arbeitnehmern?

Die Arbeitnehmer des verkauften Unternehmensteils gehen bei einem Asset Deal mit ihrem Betrieb auf den Käufer über. Dies ist gesetzlich angeordnet (§ 613a BGB). Der Käufer tritt somit als neuer Inhaber in Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers ein und muss die Arbeitnehmer über den Wechsel informieren (§ 613a Abs. 5 BGB).

Eine Kündigung wegen des Übergangs ist grundsätzlich nicht möglich (§ 613 Abs. 4 BGB). Dennoch: Ganz ausgeschlossen sind Betriebsbedingte Kündigungen vor oder nach dem Verkauf nicht.

Den Arbeitnehmern selbst steht ein Widerspruchsrecht zu. Üben sie dieses aus, bleiben sie bei ihrem alten Arbeitgeber (§ 613a Abs. 6 BGB). Steht das Unternehmen kurz vor der Abwicklung, macht der Widerspruch aber natürlich keinen Sinn.

Bei einem Share Deal erwirbt der Käufer ohnehin das Unternehmen selbst, sodass er ebenfalls Arbeitgeber der dort beschäftigten Arbeitnehmer wird.

  1. Welche Vor- und Nachteile hat eine übertragende Sanierung?

Die Wahl zwischen der weiteren finanziellen Unterstützung des Unternehmens, eine übertragende Sanierung oder anderen Alternativszenarien fällt oft schwer. Es ist daher wichtig, sich die Vor- und Nachteile der übertragenden Sanierung klarzumachen und diese im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.

Insbesondere folgende Vorteile sprechen für eine übertragende Sanierung:

  • Die übertragende Sanierung ist kein Unternehmenskauf unter normalen Bedingungen. Insbesondere der Insolvenzverwalter ist an einem zügigen Verkauf interessiert, wodurch der Kaufpreis daher oft unter dem eigentlichen Wert des Unternehmens und den für eine operative Sanierung notwendigem zusätzlichen Cash-Flow Bedarf liegen wird.
  • Die übertragende Sanierung benötigt oft wenig Zeit. Der Prozess kann daher in vielen Fällen innerhalb weniger Monaten abgeschlossen werden. Eine operative Restrukturierung ist hingegen ein langwieriger und teilweise auch kapitalintensiver Vorgang.
  • Werden gesunde Unternehmensteile durch einen Verkauf „gerettet“, können Arbeitsplätze gesichert werden. Dies ist nicht nur im Sinne der Arbeitnehmer, sondern erspart dem Unternehmen auch Kündigungsschutzprozesse und Abfindungszahlungen.
  • Verbindlichkeiten gehen bei einer übertragenden Sanierung grundsätzlich nicht auf den Käufer über. Der Betrieb oder die rentablen Betriebsteile können so von Altschulden befreit werden und einen „Neustart“ wagen. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die Firma (also der Name) fortgeführt wird (vgl. BGH, Urt. v. 11.04.1988, Az. II ZR 313/87).
  • Auch Arbeitnehmerverhältnisse folgen dem Betrieb (§ 613a BGB).

Aber auch einige Nachteile sollten bei der übertragenden Sanierung bedacht werden:

  • Sobald ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens eröffnet wird, können Wettbewerber in (Bieter-)Konkurrenz treten. Ist daher bereits absehbar, dass ein Mitbewerber Interesse an dem Betrieb hat, sollten die notwendigen finanziellen Mittel für das Höchstgebot bereitstehen. Schließlich ist der Insolvenzverwalter bei dem Verkauf allein den Gläubigern des Unternehmens und nicht dem Interesse des ehemaligen Gesellschafters verpflichtet.
  • Die Mitwirkung der Gläubiger kann in Einzelfällen zu Problem führen. Insoweit kann sich ein sog. StaRUG- oder ein sog. Insolvenzplanverfahren anbieten, in denen dissentierende Gläubigergruppen u.U. überstimmt werden können. Welches Vorgehen sinnvoll ist, bedarf jedoch stets der Abwägung im Einzelfall.
  • Es gibt einige gesetzliche Haftungsregeln, die der Käufer des Unternehmens beachten muss. So ist der Erwerber eines Grundstücks beispielsweise weiterhin für bereits verursachte schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verantwortlich (§ 4 Abs. 3 BBodSchG). Ein vollkommener Neustart ist dann oft nicht möglich.
  • Sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wird der Insolvenzverwalter die Krise und das Fehlverhalten der Beteiligten aufarbeiten und – wenn nötig – Maßnahmen einleiten, um den Schaden für die Gläubiger zu verringern. Die entsprechenden Risiken sollten lieber zu früh als zu spät identifiziert, minimiert und bei der Abwägung der Handlungsalternativen berücksichtigt werden.

Ob eine übertragende Sanierung sinnvoll ist, muss somit im Einzelfall entschieden werden. Die Beratung eines spezialisierten Beraters wird meist unumgänglich sein, um Vor- und Nachteile angemessen erfassen und abwägen zu können.

 

  1. Fazit
  • Bei einer übertragenden Sanierung werden Unternehmensteile aus einem Insolvenzverfahren erworben. Mit dem Verkaufserlös werden die Gläubiger des insolventen Unternehmens (teilweise) befriedigt.
  • Die übertragende Sanierung wird meist durch Verkauf des Unternehmensvermögens („asset deal“) durchgeführt.
  • Gläubigerausschuss oder -versammlung müssen grundsätzlich zustimmen.
  • Mit einem Betriebsteil gehen auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer auf den Erwerber über.
  • Der Käufer steht hingegen nicht für die Schulden des insolventen Unternehmens ein.
  • Insgesamt kann eine übertragene Sanierung bei Unternehmen in der Krise dadurch im Einzelfall ein geeigneter Weg zur Unternehmensnachfolge darstellen. Insbesondere, wenn das Unternehmen weitere finanzielle Unterstützung benötigt, sollten Chancen und Risiken konkret abgewogen werden.